Die fetten Jahre sind vorbei

Negros – die Zuckerinsel der Philippinen. Es gibt eine ganze Reihe von Bezeichnungen, welche den wirtschaftlichen und kulturellen Stellenwert der Zuckerrohrpflanze für diese Region hervorheben. Nicht zu unterschätzen und allgegenwärtig sind die Einflüsse der Zuckerindustrie auf Land und Leute. Man braucht nur wenige Kilometer aus den Städten heraus zu kommen um einen Blick auf die sich meilenweit erstreckenden Felder oder die am Horizont thronenden und stetig Rauch werfenden Zuckermühlen zu werfen. Auch in unserer Aufgabe als MenschenrechtsverteidigerInnen ist „der Zucker“ ein omnipräsenter Faktor, sei es bei unseren Feldstudien auf den Großplantagen oder unserer Öffentlichkeitsarbeit mit verschiedenen Organisationen. Negros ist mit seinen 13 von insgesamt 29 operierenden Mühlen für rund 54% der gesamt-philippinischen Zuckerproduktion zuständig und hat damit einen Anteil von 18 Millionen Peso am Bruttoinlandsprodukt (Stand: Erntejahr 2007-2008). Dementsprechend ist dies auch das größte Beschäftigungsfeld in der Landwirtschaft auf der Insel. Um es kurz zu machen: der Zucker bestimmt das Leben auf Negros.

Vor diesem Hintergrund beunruhigen Nachrichten über das bevorstehende Freihandelsabkommen der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) Staaten die verantwortlichen Personen auf Negros und werfen ihre dunkle Schatten über die – vermeintliche – Inselidylle. Kurz zum Hintergrund:

ASEAN ist ein Zusammenschluss von Ländern der hauptsächlich auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen abzielt. Gegründet 1967 in Bangkog, Thailand, mit 5 Mitgliedstaaten (u.a. Philippinen) erweiterte sich die Gemeinschaft kontinuierlich und die wirtschaftlichen Interessen wuchsen. Im Zuge von diversen Abkommen wurden auch Drittländer in die Verhandlungen mit aufgenommen, sodass ein kompliziertes Netzwerk aus Handelsverträgen im Südostasiatischen Raum entstand. Im Zuge einer erweiterten Integration, welche auch politische Dimensionen beinhaltet, genannt ASEAN Vision 2020, kam es 2007 bei einer Konferenz in Cebu auf den Philippinen zu der Entscheidung, die sogenannte Regional Community zu beschleunigen um zukünftig Barrieren für einen einheitlichen Markt nach dem Vorbild der Europäischen Union zu beseitigen. So soll ab 2015 eine Handelsliberalisierung (Free Trade Area) die Reduzierung von Importgebühren auf maximal 5% begrenzen. Die Teilnehmerländer erhoffen sich zweifelsohne einen enormen Anstieg an In- und Exporten mit einem ordentlichen Gewinn für die heimischen Industrien. Besonders die Einbeziehung von ausgewählten wirtschaftlich starken Nachbarn wie Australien (traditionell nicht Teil von ASEAN) soll den Warenaustausch beflügeln. Doch für manche Güterproduzenten und Industrien auf den Philippinen kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. Während die Verbraucher nun billiger an diverse Produkte kommen können, bedeutet dies auch, dass so manche traditionelle Exportindustrie mit größerer Konkurrenz durch billigere Importe rechnen muss. Ein solcher Fall kann sich nach 2015 auch auf Negros für die Zuckerproduktion abspielen, begünstigt durch mehrere Faktoren.

Source: University of the Philippines, www.up.edu.ph

Zum einen, steht es mit der Infrastruktur nicht zum Besten. Seitdem die meisten Schienennetze, auf denen seit dem 19. Jahrhundert die Zuckerrohrernte von den Feldern zu den Mühlen gebracht wurde, lahmgelegt und durch Straßennetze ersetzt wurden, sind LKWs die einzige Möglichkeit große Mengen zu transportieren. Doch viele der eingesetzten Transporter sind veraltet sowie anfällig für Schäden und generell unzuverlässig. Darüber hinaus, müssen sie auf schlecht instand gesetzten Straßen verkehren und können die Felder oftmals nur über holprige Schlammpfade erreichen. Die Felder selbst werden noch per Hand bearbeitet und jede Zuckerrohrpflanze wird von Farmern für einen geringen Lohn geerntet und muss zu den LKWs getragen werden. Aber auch das Management der Großplantagen selbst kann nicht immer einen professionellen Standard vorweisen. Gleiches gilt für die Zuckermühlen, deren Betreiberfirmen (genau wie die meisten Farmen im Familienbesitz) sich in der Vergangenheit öfters verspekuliert hatten und Fehlinvestitionen verkraften mussten. Hinzu kommen die auf den Philippinen leider immer noch prominenten Probleme im Wirtschaftssektor wie Korruption, fehlende Transparenz und Vetternwirtschaft. Von Naturkatastrophen und gelegentlichen Überfällen/Anschlägen durch die Rebellen der New People’s Army (NPA) einmal abgesehen. Bisher halfen Subventionen und Zölle dabei die Gewinnmarge hochzuhalten. Durch das Wegfallen von Hilfsmitteln wie Zölle können jedoch billigere Importe aus moderneren (oder zumindest effizienteren) Zuckerindustrien wie Thailand oder Australien die lokale Wirtschaft empfindlich stören. Die Konsequenzen und mögliche Szenarien sind schwer abzusehen und von vielen Gegebenheiten abhängig, nicht zuletzt Konsumentenverhalten. Viele befürchten jedoch, dass beim Einbrechen der Gewinne der Zuckerwirtschaft viele Arbeitsplätze gefährdet sind. Beschäftigte in den Mühlen, LKW-Fahrer, Lohnarbeiter und Farmer; sie alle könnten die Folgen zu spüren bekommen, sei es durch den Verlust von Arbeit oder höhere Auslastung bei weniger Lohn. Schlimme Erinnerungen werden an die frühen 1970er Jahre wach als weltweit die Zuckerpreise dramatisch sanken. In Folge dessen etablierte die damalige Präsidentschaft unter Ferdinand Marcos eine Monopolisierung des Wirtschaftssektors durch die Philippine Sugar Commission (PHILSUCOM) in 1976 verbunden mit massiven Subventionen. Auch soziale Probleme sind durchaus möglich. Unter Druck geratene Unternehmer und Landbesitzer könnten eher zu möglichen Menschenrechtsverletzungen neigen. Die Hemmschwelle dazu würde beträchtlich sinken und am Ende sind es wieder Menschenrechtsverteidiger und Kleinbauern die unter den Folgen zu leiden haben.

Seit das Thema Anfang des Jahres mehr Beachtung in den Medien fand, scheint auch die Politik aktiver geworden zu sein. Zwar rangieren die Reaktionen immer noch stark zwischen Panikmache und Opium fürs Volk, aber zumindest scheinen sich die Verantwortlichen Gedanken zu machen und lassen so manche Taten folgen. Der seit langem diskutierte Sugarcane Industry Development Act wurde im März im Repräsentantenhaus genehmigt und soll bis Ende das Jahres verabschiedet werden. Dadurch sollen zusätzliche Mittel für Forschung und Diversifikation freigegeben werden. Die Sugar Industry Foundation Incorporated erhöhte ihr diesjähriges Budget von 20 auf 24 Millionen Peso um zusätzliche Trainings- und Gesundheitsprogramme für Zuckerrohrfarmer anzubieten. Die Sugar Regulator Administration (SRA) und die Peace and Equity Foundation (PEF) bewerben das kommunale Farmen um Kleinbauern vor den möglichen Folgen des ASEAN Abkommens zu schützen.

Letztendlich bleibt es Abzuwarten, welche Folgen das Freihandelsabkommen und die vorgesehenen Vorkehrungen haben werden. Für uns bleibt es wichtig zu beobachten, dass sich die Situation für Menschenrechte auf Negros nicht verschlechtert und die regionalen Behörden ihrer konstitutionellen Aufgabe zur Wahrung dieser und zum Schutz der Leute nachkommen – egal welche äußeren Umstände auch immer vorherrschen.

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