Von Spielern und Marionetten: Akteurpolitik auf Negros mit Fokus auf Militär und Rebellen

Die Insel Negros wird oft als der „Sugarbowl“ der Philippinen beschrieben. Damit ist die enorme wirtschaftliche Bedeutung der Zuckerrohrproduktion gemeint, dem dominierende Industriezweig der beiden Negros-Provinzen. Neben der – für eine nicht zu unterschätzende Gemeinde aus Wirtschaftselite und Politikern – enorm wichtigen ökonomischen Komponente, beinhaltet der Agrarsektor aber auch ein brisantes Konfliktpotential. Die verkrusteten, quasi-feudalen Sozialstrukturen auf den Großplantagen auf der einen Seite, und die Landverteilungsmaßnahmen der Agrarreform (Comprehensive Agrarian Reform Program – CARP) seit Ende der 80er Jahre auf der anderen, sind zwei der zentralen Eckpunkte in diesem Konflikt. Natürlich gibt es noch eine Vielzahl an Akteuren welche die Geschehnisse vor Ort beeinflussen – nur wenige z.B. können sich einen kompletten Reim auf die gefühlten Myriaden an philippinischen Nichtregierungsorganisation (NGOs) machen, die auch auf Negros aktiv sind und mitunter ihre ganz eigenen Interessen verfolgen.

Bei einer genaueren Betrachtung der Geschehnisse jedoch, offenbart sich ein weiterer Faktor: die bereits lange vor dem CARP schwelende Auseinandersetzung zwischen den Sicherheitsbehörden der Regierung (hauptsächlich Polizei und Militär) und den vornehmlich aus den ländlichen Gebieten operierenden „Widerstandskämpfern“ der kommunistisch orientierten New People’s Army (NPA) – (Wobei man in Negros auch die Splitterfraktion der Revolutionary Proletarian Army-Alex Boncayao Brigade [RPA-ABB] und deren separaten Feldzug gegen die Regierung beachten muss). Von mancher offiziellen Quelle und von vielen Bewohnern wird in Anbetracht der relativ beschränkten Ausrüstung der NPA – laut Medienberichten beläuft sich deren Stärke auf Negros auf lediglich rund 200 Mann mit ebenso vielen Waffen – kaum von einer ernstzunehmenden Gefahr für die Sicherheit der Insel gesprochen. Doch ist gerade das Militär vor Ort vehement der Meinung, dass von kommunistischen Elementen auf dem Land und deren Unterstützern in den Städten eine ständige Bedrohung ausgeht. Tatsächlich sind bewaffnete Gruppen der NPA für Überfälle, Anschläge und Entführungen aller Art verantwortlich, doch inwiefern dies die diversen Maßnahmen und Strategien des Militärs rechtfertigt – in Zuge deren immer wieder Unschuldige zwischen die Fronten und unter Generalverdacht geraten – ist fraglich. Die Hintergründe dafür liegen in der regionalen Akteurspolitik.

Source: The Inquirer, www.Inquirer.net

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Seit 2010 arbeiten die Armed Forces of the Philippines (AFP) an einer umfassenden Reform um die Streitkräfte innerhalb der nächsten Jahrzente in eine moderne, schlagkräftige aber vor allem sozial verantwortliche Truppe zu verwandeln. Der Internal Peace and Security Plan (IPSP) – oft einfach Oplan Bayanihan genannt – umfasst alle Bereiche des Militärs und zielt auf eine Professionalisierung der Teilstreitkräfte ab. Auf Negros bedeutet dies vor allem eine intensivere Zusammenarbeit mit kirchlichen und zivilen Organisationen für diverse kommunale Hilfsprojekte. Viele der Maßnahmen, haben jedoch eine Prägung, die vehement an das Prinzip von „Winning the Hearts and Minds of the People“ erinnert. Zusammen mit dem Social Action Center (SAC) der Katholischen Kirche z.B., engagieren sich Militär und Polizei für kostenlose medizinische Untersuchungen, Weiterbildungsmaßnahmen, Beratung für kleinere landwirtschaftliche Projekte und Dialogforen für den festgefahrenen Agrarkonflikt. Gerade auf letzteres Beispiel wurden wir von IPON aufmerksam gemacht. Es scheint, als ob die regionale Militärführung verstärkt Konfliktlösungen zwischen Aktivistengruppen der Farmer und den Landbesitzern anbietet um eine für alle Beteiligten akzeptables Ergebnis zu finden und gleichzeitig das Gewaltpotential zu vermindern. Eine spezielles Forum, die Church-Military and Police Advisory Group Negros (CMPAG-Negros) bemüht sich um diesen Dialog. So geschehen auf der Hacienda Leonor nahe Escalante im Norden Negros und – wie bereits in dem Blog vom 06.11.2013 berichtet – auf Hacienda Carmenchika was zu dem dortigen Memorandum of Understanding geführt hatte. Von der Militärführung ist zu hören, dass man sich intensiv um eine friedliche Implementierung des CARP bemühen will und sowohl Farmern als auch Landbesitzern und deren Firmen gleiche Rechte zusprechen möchte. Dies klingt vielversprechend, zumal die beiden einflussreichen Akteure Militär und Kirche eine gemeinsame Linie fahren und ein enormes Gewicht in den Verhandlungen tragen.

Source: NewsDesk, www.newsdesk.asia

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Natürlich gibt es kritische Stimmen zu dieser Strategie. Vor allem Aktivisten die sich um die marginalisierte Landbevölkerung kümmern vermuten hinter den Programmen den Versuch, die staatliche Kontrolle über die Provinzen zu verstärken. Aufgrund fehlender Investitionen und auch mangelnder Bemühungen der Zentralregierung, wurden die ländlichen Regionen in den Jahren zuvor vernachlässigt. Dies begünstigte Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektive – eine Situation welche sich die NPA gerne zunutze macht um Unterstützung zu bekommen. Diese Umstände werden sogar von beiden Seiten bestätigt. Colonel Jon Aying, Kommandant der 303ten Infanterie Brigade auf Negros sagte gegenüber den Medien, dass die NPA auf der „Welle des Agrarkonfliktes reite“, die Situation auf den Plantagen sozusagen nutze um sich für den Kampf für mehr Gerechtigkeit zu profilieren. Sprecher der NPA wie Andrea Guerrero gehen lieber darauf ein, dass erhöhte Militärpräsenz die Angst der Bauern schüre und dass man sich im Recht sieht indem man gegen korrupte Eliten und Landeigentümer vorgeht, die ihre Untergebenen misshandeln.

Source: Negros Occidental Government, www.negros-occ.gov.ph

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Armut auf dem Land und fehlende Gerechtigkeit beim Landkonflikt sind also der Auslöser sowohl für einen andauernden Konflikt als auch eine Reihe von neuen Maßnahmen des Regionalmilitärs. Die Versprechen von Colonel Oscar Lactao (ebenfalls 303te Brigade), verstärkt gegen mutmaßliche NPA Angehörige vorzugehen lässt deutlichere Strategien vermuten. Inwiefern die AFP ihre Position infolge des IPSP auf dem Land zementieren kann und welche Ausmaße die Rolle der CMPAG-Negros annehmen wird, bleibt abzuwarten. Als Verlierer dürfen sich jedoch diejenigen fühlen, die von beiden Seiten in eine Ecke gedrängt werden. Menschenrechtsorganisation und individuelle Aktivisten geraten in die Schusslinie und werden durch fingierte Prozesse aus dem Weg geräumt. Es bleibt zu hoffen, dass die verantwortlichen Akteure ihr Spiel um Macht und Einfluss nicht auf dem Rücken von Leuten austragen, die sich mit friedlichen Mitteln um eine Lösung bemühen und deren Wirken im Keim erstickt wird.

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