Verhandlungen im Fall Cocoy beendet – wie wird das Urteil ausfallen?
Ende November 2014 fand der letzte Verhandlungstag im Fall des Menschenrechtsverteidigers Temogen Cocoy Tulawie statt. Nach über drei Jahren in Haft, kann Cocoy nun in den nächsten drei Monaten mit einem Urteil rechnen. IPON hat die Verhandlungen von Anfang an beobachtet und wir den Prozess auch bis zum Ende weiter begleiten.
Der Fall von Temogen Cocoy Tulawie steht beispielhaft für die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger_innen in den Philippinen. Cocoy ist Begründer der Menschenrechtsorganisation BAWBUG und hat sich im Rahmen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Demokratisierung lokaler Politik, Transparenz in der Regierung und für die Aufrechterhaltung der Bürgerrechte im Sulu- Gebiet engagiert. Seine Kampagnen enthüllten zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, begangen durch die lokale Regierung. Dazu zählten u. a. Massenvergewaltigungen durch Söhne bekannter Politiker und deren paramilitärische Schutztruppen, sowie die verfassungswidrige Ausrufung des Notstands durch den damaligen Gouverneur Abdulsakar Tan. Im Mai 2009 wurde ein Bombenanschlag auf Gouverneur A. Tan verübt und Cocoy wurde beschuldigt Drahtzieher des Anschlags gewesen zu sein. Daraufhin wurde Cocoy 2012 in Davao festgenommen und auf Antrag Tans nach Manila verlegt. Seit Oktober 2013 läuft sein Verfahren nun in Manila. IPON geht davon aus, dass die Anklage Tulawies ein Versuch ist, seinen Protest gegen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.
Nun sind die Verhandlungstage beendet und es liegt an der Richterin, Hon. Marlo A. Magdoza- Malagar, das Urteil zu fällen. Wie ihre Entscheidung aussehen wird, ist weiterhin unklar. Cocoy selbst ist aber optimistisch und geht fest von einem Freispruch aus. Es gibt nur einen Zeugen, der Cocoy direkt belastet: Das bekennende Abu Sayyaf Mitglied Sali Said, dessen Aussage aber auf Grund seiner Verbindung zu Gov. Tan zweifelhaft ist. Auch konnten „Indizien“ gegen Cocoy während des Verfahrens widerlegt werden. Er vertraut darauf, dass die Unschuldsvermutung „im Zweifel für den Angeklagten“ gelten wird. Selbst vom Gefängnis aus setzte sich Cocoy weiter für die Menschenrechtssituation im Sulu- Gebiet ein. Nach seiner Haftentlassung plant er sich wieder voll und ganz seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger zu widmen.
Seine Anwältin, Atty. Mary Ann Arnado (MPC), bewertet das Verfahren ebenfalls positiv. Die Richterin habe sich für ein faires und zügiges Verfahren eingesetzt. Dies führt die Anwältin auch auf die internationale Aufmerksamkeit im Fall Cocoy zurück. In den Philippinen sei es selten, dass bis zu 3 Verhandlungstage in einem Monat stattfinden. Andere Angeklagte haben lange Wartezeiten zwischen den Verhandlungstagen und verbringen somit lange Zeit im Gefängnis. Auch Atty. Arnado geht von einem positiven Ausgang des Verfahrens aus.
Zu kritisieren ist aber aus Sicht von IPON, dass die Gefangenentransporte von Cocoy bis zum letzten Verhandlungstag nicht, wie durch die Menschenrechtskomission empfohlen, durch die AFP (Armed Forces of the Philippines) begleitet wurden. Diese Lücke in der Gewährleistung seiner Sicherheit bleibt zu bemängeln.
Außerdem wurde den Observern zeitweise der Zutritt zu den Verhandlungen verwehrt, so dass wir unserem Auftrag der Prozessbeobachtung nicht immer nachkommen konnten. Nachdem IPON diesbezüglich einen Brief an die Richterin verfasste, wurde darauf geachtet, mindestens zwei internationale Beobachter_innen pro Verhandlung zuzulassen.
Insgesamt bewertet IPON das bisherige Verfahren und die Rolle der Richterin als positiv. Gemeinsam mit Cocoy und seinen Unterstützer_innen wartet IPON nun gespannt auf die Urteilsverkündung und hofft, dass die Richterin sich weiterhin für ein schnelles und faires Verfahren einsetzt. Ein positiver Ausgang des Prozesses gegen Cocoy Tulawie würde ein wichtiges Zeichen für viele andere Aktivisten setzen, sich friedlich für Menschenrechte einzusetzen.
Obwohl in diesem prominenten Fall eine zügige und transparente Durchführung des Prozesses attestiert werden kann, bleibt abzuwarten, ob dies den Beginn eines positiven Trends gegen die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern darstellt oder aber eine Ausnahme bleibt.