Kapitulation der FarmerInnen auf Carmenchika?

– Zweiter Teil von unserem Blogbeitrag „Der eintönige Klang von Einverständniserklärungen“

In den knapp anderthalb Monaten zwischen der Geburt und der finalen Unterzeichnung des MoAs fanden mehrere Gespräche zwischen den betroffenen BauerInnen und den kompetentesten Beratern von TFM statt. Auch lange und leidenschaftliche Diskussionen ereigneten sich regelmäßig unter den BauerInnen selbst.

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Wie im klassischen Theaterwerk “Fuenteovejuna”, vom spanischen Autor Lope de Vega, musste in diesem Fall die Antwort der FarmerInnen einstimmig erfolgen. In diesem Spiel vom XVI. Jahrhundert töten die Einwohner der Stadt Fuenteovejuna nach jahrelangem Leiden den Tyrann, der sie in einem feudalistischen Verhältnis aller Art von Ausschweifungen ausgesetzt hatte. Als die Frage vom Richter kommt, wer denn um Gotteswillen den Komtur ermordet hätte, klingen die Stimmen der Bauern im Unison: „Fuenteovejuna, Alle für einen“. Zur Hinrichtung des ehemaligen Landbesitzers, anders als in Fuenteovejuna, kam es zu unserer Freude nicht. Aber unbeachtet dessen, was die FarmerInnen von Carmenchika über seine Zukunft entscheiden würden, mussten sich die mehr als 30 Familien auf eine gemeinsame Position einigen.

TFM riet sie selbstverständlich von der Akzeptanz ab, da der jahrelange Kampf ruiniert werden würde und die Beneficiaries wurden zur weiteren Anstrengung ermuntert. Leicht zu sagen, wenn man täglich was zu essen hat. Aber für die FarmerInnen stand die Zuckerrohrernte vor der Tür und sie brauchten den Zugang zu den Feldern, um ihre Familien und sich selbst ernähren zu können. Ob dieser Zugang als Lohnarbeiter von jemandem anders erfolgen musste, das war für sie an dem Moment sekundär. Auch die im MoA-Entwurf versprochenen Pachtzahlungen bräuchten sie dringend, um Schulden zu tilgen, die sie in den letzten Jahren aufgenommen haben.

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Aus unseren Gesprächen mit Ayan Rovio, dem Farmerleader von Carmenchika, und den restlichen BauerInnen konnten wir entnehmen, dass die finanziellen Nöte zwar im Vordergrund standen aber nicht der einzige Grund waren, warum viele Familien zum Unterschreiben tendierten. Sie hätten nach so einem langen energieverzehrenden Kampf keine Kraft mehr, sich gegen die anhaltenden Repressionen der Gegenpartei durchzusetzen. Und auch keine Lust mehr auf das ständige Hin und Her mit für sie unverständlichen Gerichtsentscheidungen und Rechtsbehelfen.

Das war’s für sie, war die Botschaft, als die 37 Agrarian Reform Beneficiaries von Carmenchika am 5.August die endgültige Version von MoA mit ihren Signaturen verewigten. Ein endgültiges MoA, das punktgenaue Klauseln wie im Entwurf enthielt: die von TFM vorgeschlagenen Änderungen wurden nach Aussage von Colonel Aying in seiner Vermittlungsrolle zu spät eingereicht und konnten nicht mehr in Betracht gezogen werden. Die einzige Modifizierung, die tatsächlich in die finale Version übernommen wurde, war der von Seiten der Landbesitzer eingeführte auszuzahlende Pachtbetrag für die FarmerInnen.

Heute, drei Monate nach der Unterzeichnung des MOAs, geht es den BauerInnen sicherheitstechnisch besser. Die Lage hat sich logischerweise erheblich entspannt und sie berichten weder über aktive Sicherheitskräfte noch gewalttätige Vorkommnisse. Die “vereinbarten” Summen wurden bereits bar übergeben nicht ohne jedoch, dass die Bauern stundenlang auf den Aufseher der Hacienda, der außerdem noch der Anwalt der Landbesitzer ist, auf dem offenem Feld unter der Sonne warten mussten.

Die meisten Farmer haben wieder angefangen, für UEC/MIMI als Erntehelfer zu arbeiten. Nur manche halten ihre Würde immer noch für unantastbar und weigern sich trotz der angespannten finanziellen Situation nach all den Jahren Schikanen und Repressalien wieder Bedienstete der Pachtfirmen zu werden.

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Was Militär und Kirche als Vermittlungserfolg buchen bezeichnet die Bauerorganisation TFM als Enttäuschung und Kapitulation. Was ist es denn? Nun aus unserer Sicht selbstverständlich kein Erfolg aber auch definitiv keine Kapitulation. Es war einfach nur ein klares Beispiel von Resignation, wie viele andere die seit dem Anfang der Agrarreform auf den Philippinen bereits stattgefunden haben. In diesem Fall allerdings zusätzlich mit ein paar Teelöffeln Geldnot und Hunger verbittert. Und mit unbestätigten Gerüchten von Gewaltandrohungen, falls es nicht zu einer Unterzeichnung des MoAs gekommen wäre. Aber auch einer Prise ausgeschöpfter Hoffnungen an ein extrem ineffizientes Justizsystem, welches mit dem mangelnden Vertrauen zu den zuständigen staatlichen Akteuren glasiert wird. Und die Überzeugung, dass das aktuelle System in den Philippinen stets zu eintönigen Klängen führt.

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