Trauriges Jubiläum
Ein Jahr nach dem Tod von Menschenrechtsverteidigerin Elisa Tulid ziehen IPON Observer gemeinsam mit unserer Partnerorganisation KMBP Bilanz:
„Im Landkonflikt hat sich seit dem Tod Elisa Tulids nichts getan, obwohl es äußerst wichtig ist, dass Bedrohungen und Schikanen nicht zu gewaltvollen Übergriffen werden.“ (Danny Caranza, RIGHTS Network, Unterstützer von KMBP)
Am heutigen Tag jährt sich der tragische Tod von Menschenrechtsverteidigerin (MRV) Elisa Tulid, einer Kleinbäuerin und Landrechtaktivistin aus Barangay Tala, San Andres, Quezon Province, Luzon. IPON Observer begleiten ihren Fall seit Anfang des Jahres (Details hierzu auf dem Mindanao-Team Blog: Menschenrechtsverteidigerin auf Halbinsel Bondoc ermordet – IPON erneuert Zusammenarbeit mit früheren Partnern, http://tinyurl.com/q9b297q). Der Mord schein im Zusammenhang mit dem vor Ort herrschenden Landkonflikt zu stehen , beides Anlass zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit IPONs früherem Mandatspartner Kilusang Magbubukid ng Bondoc Peninsula (KMBP) , eine Organisation, die sich für ihr Landrecht einsetzt (Details zur ersten Mandatsverlängerung diesen Jahres sind hier zu finden: Mandatsvertrag mit der KMBP in Bondoc bis Jahresende verlängert, http://tinyurl.com/mdlmwnl).
Mein Land, dein Land, sein Land, unser Land
Ursache des Konflikts in Elisa Tulids Bezirk ist und bleibt die ungeklärte Landfrage vor Ort. Das lokale Umweltministerium (DENR) zertifizierte im März 2013 Zeit fälschlicherweise das Land, das Elisa Tulids Familie für den lokalen Großgrundbesitzer A. bewirtschaftete, als öffentliches Land. Dies wurde revidiert und A. erhielt seinen Landtitel zurück. Dennoch bleibt die Vermutung seitens der Behörden, dass es sich bei dem umstrittenen Landstrich doch um öffentliches Waldland handelt. Wäre dies der Fall, müssten die lokalen MRV keine Abgaben an A. leisten, könnten bei dem Umweltministerium eine kommunale Bewirtschaftungserlaubnis einholen und das Land weiterhin bestellen. Um Klarheit zu schaffen soll das Areal neu vermessen werden, doch A. verweigert den Behörden Zutritt. Somit bleibt die Landfrage ungeklärt und stellt auch weiterhin ein erhebliches Konfliktpotential dar:
„Die Regierung muss wieder Kontrolle über den Landkonflikt erlangen, doch bisher scheint sie gegenüber der Gewalt in diesem Konflikt hilflos. Dieser Zustand darf nicht einfach so hingenommen werden, denn die Gewalt im Landkonflikt hat bereits ein Menschenleben gefordert.“ (Danny Caranza, RIGHTS Network, Unterstützer von KMBP)
Ein Danaergeschenk?
“Seit Elisas Tod ist ein Jahr vergangen und die Farmer_innen haben immer noch kein Land bekommen. Historisch gesehen sind Landrechte auf den Philippinen für reiche Leute gemacht worden. Es ist aber Aufgabe der Regierung den Farmer_innen in ihrem Recht auf Land zu unterstützen und sie zu schützen, denn die Erfüllung der Landrechte sind eine grundlegende Vorraussetzung für die soziale Entwicklung ländlicher Gegenden. Bisher ist die Regierung zu schwach um in den Landkonflikt wirklich einzugreifen und Farmer_innen sind weiterhin Opfer gewaltvoller Übergriffe oder von Bedrohungen.“ (Jansept Geronimo, QUARDDS, Unterstützer von KMBP)
Vor einigen Monaten schien eine Lösung der Landfrage in greifbare Nähe gerückt, als A. endlich einer Begehung des Landes zustimmte. Jedoch zog er diese Erlaubnis auf einem Dialog zwischen lokalen Behörden, der KMBP und MRV aus Tala zurück und schenkte statt dessen eine 2 Hektar grosse Parzelle Land Elisas Tulids Mann. Es handelt sich bei der geschenkten Landparzelle um ein Areal, das seit der falschen Zertifizierung des Umweltministeriums von Elisa Tulids Familie bestellt wurde und seitdem Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen ihrer Familie und A. war. Die Vertreter_innen der Menschenrechtskommission stimmte dieser Schenkung zu, da sie vorübergehend ein Auskommen für die Tulid-Familie erwirtschaftet. Allerdings bleibt ungeklärt, ob die geschenkte Landparzelle wirklich A. gehört und damit im tatsächlichen Besitz der Tulid-Familie ist, denn A. verschenkte während dieses Dialoges Land, das ihm unter Umständen nicht gehört und somit unter den gleichen Umständen auch nicht der Tulid-Familie gehört.
Die Ermittlungen im Mordfall
IPON engagierte sich für eine Miteinbeziehung von Elisa Tulids Tätigkeit als Menschenrechtsverteidigerin in die Ermittlungen der lokalen Polizei, der Staatsanwaltschaft sowie der polizeilichen Untersuchungsbehörde (National Bureau of Investigation), die die Arbeit der lokalen Polizei im Fall Elisa Tulid überprüfte. Leider wurde hinsichtlich einer Verbindung zwischen Elisa Tulids Tod und dem Landkonflikt bisher nicht ermittelt, dementsprechend groß ist die Enttäuschung seitens der Menschenrechtsverteidiger_innen in Barangay Tala:
“Keine Gerechtigkeit für Elisa Tulid bedeutet keine Gerechtigkeit für uns alle! Was mit Elisa passiert ist könnte auch uns passieren und früher oder später wird die Ungerechtigkeit ihres Todes auch auf andere Menschenrechtsverteidiger_innen übergreifen.“ (Cocoy, Farmer-leader, KMBP/SMBTC)
Der mutmaßliche Mörder R. wurde kurz nach der Tat gefasst und sitzt zur Zeit in Untersuchungshaft. IPON Observern wurde berichtet, dass er ein Angestellter des Großgrundbesitzers A. sei, der Familie Tulid in Begleitung von R. im Vorfeld des Mordes mehrmals verbal bedroht habe. Die Anklageverlesung fand am 8. Oktober 2014 statt, Gerichtstermine sollen bald folgen. Die Menschenrechtsverteidiger_innen aus Tala äußerten sich empört über den Verlauf der Ermittlungen:
“Im Namen Elisa Tulids und ihrer Familie fordern wir Gerechtigkeit. Die Regierung arbeitet zu langsam und schafft es nicht, die wichtigsten Themen, wie zum Beispiel soziale Ungerechtigkeit und den historischen Hintergrund des Landkonfliktes anzusprechen. Farmer_innen werden deswegen weiterhin schikaniert und im Mordfall Elisa Tulids wird nach wie vor nicht in Richtung des tatsächlichen Drahtziehers ermittelt.“ (Cocoy, Farmer-leader, KMBP/SMBTC)
(K)ein Ende in Sicht?
Trotz dieser und einiger anderen Rückschläge setzen die Menschenrechtsverteidiger_innen aus Tala mit Hilfe anderer KMBP-Mitglieder ihre Arbeit fort und stellen bezüglich der Lösung des Konfliktes ganz klare Forderungen an ihre Regierung:
“Vor zwei Jahren hat der philippinische Präsident versprochen, dass Farmer_innen ihr Land bekommen warden. Dieses Versprechen muss wahr werden und wir hoffen sehr, dass der Präsident seiner Verantwortung gerecht wird.“ (Jansept Geronimo, QUARDDS, Unterstützer von KMBP)
IPON-Observer werden den Fall weiterhin beobachten und planen, dieses Jahr nochmals nach Tala zu fahren und die dortigen Menschenrechtsverteidiger_innen bei ihrer Arbeit zu begleiten:
„Wir müssen mehr Druck auf verschiedenen Ebenen ausüben und ein internationales Bewusstsein für den Landkonflikt auf den Philippinen schaffen. Auch hier kann die Arbeit von IPON ansetzen und helfen, die internationale Öffentlichkeit zu informieren und auf die Situation von Menschenrechtverteidiger_innen im Landkonflikt aufmerksam zu machen.“ (Danny Caranza, RIGHTS Network, Unterstützer von KMBP)