Pressemitteilung: Ein Jahr Rodrigo Duterte: Ein dunkles Kapitel für die Menschenrechte?

Manila, 30. Juni 2017

Ein Jahr ist inzwischen vergangen seitdem Rodrigo Duterte und in seinem Amt vereidigt wurde. Zieht man eine Bilanz der ersten 12 Monate seiner Amtszeit so zeigt sich, dass es kein gutes Jahr für die Menschenrechte in den Philippinen war.

Die Hoffnung, dass die menschenrechtsverachtende Rhetorik von Dutertes Wahlkampf nichts weiter als leeres Gerede sei, bestätigte sich nach seinem Amtsantritt nicht. Das Resultat seiner Politik bestand aus dutzenden Toten pro Tag. Die philippinischen Medien hörten schließlich sogar auf, die Opfer zu zählen, da die hohen Zahlen mittlerweile zum Alltag in den Philippinen gehörten.

Duterte versprach einen blutigen „war on drugs“ und dieses Versprechen hielt er ein – mit über 6.000 Tötungen vor Ende 2016. Während der ersten 168 Tage seiner Präsidentschaft sind im Durchschnitt 36 Menschen pro Tag vermeintlich ins Drogengeschäft verstrickte Kriminelle, aber auch unschuldige Unbeteiligte sowie Kinder in Polizeieinsätzen (1/3) und unbekannten Attentaten (2/3) als Opfer seiner Politik zu beklagen. In 2017 stiegen diese Zahlen weiter, auf 7.000 bis 8.000 Todesopfer. Bei diesen so genannten „deaths under investigation“ handelt es sich im Prinzip jedoch um standrechtliche Hinrichtungen, welche dazu führen, dass die Todesrate schon jetzt höher ist als in den neun Jahren „Martial law“ unter der Präsidentschaft von Ferdinand Marcos.

Während Menschenrechtsnetzwerke wie das „Network Against Killings in the Philippines“ die Tötungen stark kritisieren und eine vollständige Aufklärung ebendieser verlangen, hat Präsident Duterte allen Staatsdienern, die in den Tod von Drogenverdächtigen verwickelt sind, totale Straffreiheit zugesichert. Tatsächlich wird nur in wenigen Fällen ausreichend ermittelt und bis heute ist es zu keiner einzigen Verurteilung von Verdächtigen gekommen: es herrscht Straflosigkeit. Duterte selbst zeigt kein großes Interesse daran, weitere Ermittlungen bei diesen unaufgeklärten Attentaten einzuleiten. Des Weiteren hat die Einführung so genannter „Barangay-Listen“, Listen auf denen die Namen von Personen einer Kommune mit mutmaßlichem Drogenbezug stehen, und deren öffentliche Verlesungen durch Duterte die Zahl standrechtlicher Hinrichtungen noch erhöht. Laut einem von Amnesty International veröffentlichten Bericht erhielten Angehörige der Philippine National Police sogar finanzielle Zuwendungen für das Töten von Drogenabhängigen. Darüber hinaus ist dem Bericht zu entnehmen, dass zumindest einige der „deaths under investigation“ de facto von maskierten Polizisten begangen wurden.

IPON beobachtet diese generelle Missachtung von Menschenrechten seit den ersten Tagen von Dutertes Präsidentschaft. Das bestehende Risiko, dass Tötungen auch auf andere Bereiche der Gesellschaft ausgedehnt werden, ist besorgniserregend. Besonders die Äußerungen von Präsident Duterte darüber, MenschenrechtsverteidigerInnen als Ziele im „war on drugs“ mit einzubeziehen, beunruhigen sehr. Fabrizierte Anklagen gegen sowie Diffamierung als Gewaltakteure und Tötungen von Menschenrechtsaktivisten wurden unter allen bisherigen Regierungen verzeichnet. Allerdings ist die tiefe Abneigung von Präsident Duterte gegenüber den Menschenrechten als Konzept an sich, vor allem aber des Rechts auf Leben und des Rechts auf eine unabhängige, schnelle Justiz, ein Indikator für eine neue Intensität der Bedrohung von MenschenrechtsverteidigerInnen.

Zudem haben Duterte und die Regierung unter ihm weitere Schritte unternommen, Menschenrechte und demokratische Institutionen in ihren Möglichkeiten zu limitieren. Neben einem Gesetzentwurf, welcher die Strafmündigkeit auf neun Jahre setzten würde, wird auch die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert – ein Schritt, den bislang nur drei andere Staaten weltweit gegangen sind. Damit würden sie gegen internationale Verträge sowie das 2006 unterzeichnete zweite Zusatzprotokoll über bürgerliche und politische Rechte verstoßen.

Leider sind dies nicht die einzigen Änderungen, die unter der neuen Duterte-Administration verwirklicht werden sollen. Kritische Stimmen warnen vor zahlreichen Gesetzeskorrekturen, welche langsam aber stetig demokratische Standards aushöhlen sollen. Durch die jüngsten Äußerungen Dutertes, das nach Gefechten in Marawi mit der radikal-islamistischen Maute-Gruppe in Mandanao ausgerufene Kriegsrecht auch auf den Rest der Philippinen ausdehnen zu wollen, erhalten solche Sorgen neue, beunruhigende Berechtigung.

Ein besonderes Augenmerk gilt überdies der geplanten Verfassungsänderung zur Ausweitung der Amtszeit des Präsidenten, den Drohungen, das Recht auf persönliche Freiheit einzuschränken, und der Absicht, regierungskritische Einrichtungen (beispielsweise die Menschenrechtskommission) zu schließen. All diese Schritte verschlechtern die ohnehin prekäre Lage von Menschenrechtsaktivisten und kriminalisieren diese mehr als ohnehin schon. Zu guter Letzt können Ankündigungen von Duterte, den internationalen Strafgerichtshof zu verlassen, als weitere Indikatoren für die Errichtung eines autoritären Regimes gesehen werden, welches keinen Wert auf die Wahrung von Menschenrechten und Menschenwürde legt.

Nach dem Scheitern der Friedensgespräche mit der National Democratic Front of the Philippines (NDFP) konnte ein starker Anstieg von Menschenrechtsverletzungen beobachtet werden. Das Aussetzen des Joint Agreement on Safety and Immunity Guarantees (JASIG) und das direkte Ausstellen von Haftbefehlen gegen die Vertreter der NDFP in den Friedensverhandlungen haben einen neuen „all-out war“ gegen die Linke in den Philippinen ausgelöst. IPON konnte bereits neue Fälle von „Red Baiting“, dem Diffamieren und Anklagen von Menschenrechtsaktivisten als gewalttätige Linksradikale, verzeichnen, die damit in direktem Zusammenhang stehen.

IPON verurteilt die momentan herrschende Kultur der Straßenjustiz und Straffreiheit, welche den Wert von menschlichem Leben jeden Tag aufs Neue missachtet. Wir erinnern verstärkt an den universellen und unveräußerlichen Charakter der Menschenrechte sowie an die Zugänglichkeit für jeden Menschen, unabhängig von Rasse, Sprache oder Art und Weise zu leben.

Daher rufen wir die philippinische Regierung dazu auf, in den über 7000 registrierten Tötungen Ermittlungen einzuleiten und das Morden zu stoppen. Zudem sollte die Regierung MenschenrechtsverteidigerInnen schützen, wie es die Erklärung der Vereinten Nationen zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen verlangt.

Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft, an ihrer Haltung gegenüber Menschenrechtsverletzungen und die Forderungen an die Philippinen, wie sie zuletzt während der jährlichen periodischen Überprüfung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen bekundet wurden, unnachgiebig festzuhalten und einzufordern. Wir wenden uns hiermit abermals und mit Nachdruck an die deutsche Regierung, ihren Forderungen aus der periodischen Überprüfung zu unparteilicher Strafverfolgung, dem Kampf gegen außergerichtliche Tötungen und die Verhinderung einer Senkung des Alters für Strafmündigkeit weiterhin vehement Ausdruck zu verleihen.

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