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 Zum letzten Brief von Dezember 2021 

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Liebe Unterstützer:innen von IPON!

International Peace Observers Network –  dafür steht die Abkürzung IPON. Warum „Peace“  – also Frieden – im Namen? Wenn Menschenrechte nicht geschützt werden, können Gewalt und sogar Krieg Einzug halten. Menschenrechte sind eines der ersten Opfer eines jeden gewalttätigen Konfliktes. Das Hochhalten der Menschenrechte, gerade in Konfliktkontexten, ist ein kraftvoller Beitrag für  eine friedliche Transformation.  
Während des rechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine und trotz all unserer Gefühle, Fragen, Impulse, und Analysen hierzu, halten wir mit IPON unseren Fokus auf Menschenrechtler:innen in den Philippinen. Gleichzeitig ist uns der „Blick über den Tellerrand“ wichtig und wir werden am Jahresende gemeinsam mit u.a. dem Varna Friedensforschungsinstitut eine Online-Veranstaltung organisieren, in der es auch um andere Konflikte geht. Dass Medien, Förderinstitutionen, internationale Politiker:innen und Organisationen im derzeitigen Geschehen ihre Schwerpunkte verschieben (müssen) bekommt die Zivilgesellschaft in Konfliktregionen weltweit zu spüren. In unserem Fall wurde eine Reise mit einer Bundestagsabgeordneten, die unseren philippinischen Partnern ein Forum für ihre Anliegen gegeben hätte, kurzfristig abgesagt. Ich aber konnte während meiner vierwöchigen Philippinenreise nicht nur mit unseren Mandatspartner:innen persönlich sprechen, sondern mit vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen darüber hinaus.  Dieser Brief ist durch diese sehr aktuellen Begegnungen inspiriert.

Herzlichen Dank für Ihre Lesezeit, ihre Spende oder ihre Fördermitgliedschaft.

Das sind unsere Themen

Philippinen nach den Wahlen

Aus den Partnerorganisationen von IPON

Zukunft von Menschenrechtsbeobachtung

Veranstaltungen von uns und anderen


Philippinen nach den Wahlen

Zu den meisten wird es schon durchgedrungen sein: Familie Marcos ist zurück im Präsidentenpalast. „Bonbong“ Marcos, der Sohn des Diktators, der 1986 in einer friedlichen Revolution aus dem Amt gejagt wurde, gewann die Wahlen im Land mit überwältigender Mehrheit. Seine Vizepräsidentin ist Sara Duterte, Tochter des berüchtigten Präsidenten der letzten Wahlperiode. Ob bei den Wahlen alles mit rechten Dingen zuging? Nein, das tat es nicht. Eine internationale Beobachtungsmission hat zahlreiche Unregelmäßigkeiten und viel Gewalt dokumentiert. Mir selber wurde von jungen Freiwilligen berichtet, die für die Gegenkandidatin, die Menschenrechtsanwältin Leni Robredo, aktiv waren und massiv von ihren Nachbar:innen und sogar vom Militär eingeschüchtert wurden. Gleichzeitig ist das grobe Ergebnis der Wahl wohl nicht anzuzweifeln.

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Häufig sind es private Unterstützer:innen,  auf deren Grundstücksmauern noch die Werbung für die unterlegene Kandidatin zu sehen ist. Bongbong Marcos hat überwiegend auf angemieteten Flächen geworben, die schon geräumt werden mussten.

Viele Menschen in den Philippinen haben sich entscheiden, an eine konstruierte Geschichte von Wohlstand, Entwicklung und Fortschritt als Merkmale der Marcos-Zeit zu glauben, die durch eine massive Kampagne in den sozialen Medien gestützt wurde. Das erste Ziel des neuen Präsidenten scheint es zu sein, den Namen seiner Familie reinzuwaschen und die kollektive Erinnerung an das geschehene Unrecht umzuarbeiten.[i] Was das für Menschenrechte und für Menschenrechtsbeobachtung bedeutet, ist Gegenstand unserer ständigen Analyse. Nach sechs Jahren unter Duterte, der Menschenrechte und all ihre internationalen Institutionen verachtet, wird in der Diplomatie jetzt ein gemäßigter Tonfall angeschlagen. Die Besetzung der Comission on Human Rights (CHR) steht noch aus. Vielen meiner Gesprächspartner:innen gilt sie als ein relevanter Wegweiser.[ii] In der Zwischenzeit kommt es nach wie vor zu schlimmen Repressionen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen und der Präsident hat offiziell bereits erklärt, dem Internationalen Strafgerichtshof nicht wieder beitreten zu wollen.[iii] Die philippinische Regierung konnte die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs  nicht davon überzeugen, dass sie selber in der Strafverfolgung aktiv werden würde. Diese hat nun die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.[iv] Dass Personen und Organisationen, die dem Internationalen Strafgerichtshof Informationen zuspielen und die Arbeit mit Zeug:innen organisieren, hierfür durch verschiedene Repressionen abgestraft werden, bleibt zu befürchten. Gut, dass wir mit IPON für eine kleine Gruppe dieser Personen eine Sicherheitsstruktur bereitstellen können. Mitte September veröffentlichen wir mit dem Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen einen Bericht über die Menschenrechtssituation unter der abgeschlossenen Präsidentschaft, in dem abermals deutlich wird, wie wichtig es ist, Duterte international zur Rechenschaft zu ziehen. 

Aus den Partnerorganisationen von IPON

Jenseits der politischen Gesamtsituation stehen bei IPON die Menschenrechtler:innen selber im Vordergrund. Nach über zwei Jahren Pandemie konnten jetzt erstmals persönliche Treffen mit fast allen unseren Partner:innen in den Philippinen stattfinden. Und trotz aller Möglichkeiten die wir heute mit Onlinekonferenzen haben: in direkter Begegnung zu erfahren, wie sich die Gruppen durch die Jahre unter Duterte und durch die Pandemie geschlagen haben und wie sie der Zukunft entgegenblicken, ist unersetzlich und doch nur schwer beschreibbar.
Nicht verwunderlich, und doch bedrückend ist das Niveau der Sicherheitsmaßnahmen unter denen vor Ort gearbeitet wird. Adressen sind von Homepages einiger NGOs verschwunden, Namensschilder von Bürotüren abgebaut, Privatwohnungen besser gesichert. Orte für Treffen müssen mit besonderer Vorsicht ausgesucht werden, einige Personen arbeiten mit Ersatznamen und Zweitnummern.
Unmittelbar präsent wurde die Bedrohungssituation, als eine Person in unserem Beisein eine Todesdrohung per SMS erhielt. Gleichzeitig ist das Engagement, trotz des erhöhten Aufwandes, keinesfalls eingeschlafen. Manchmal müssen weniger öffentliche Wege gefunden werden oder inhaltliche Verschiebungen stattfinden. Manche Gruppen wählen den Weg, sich deutlich und glaubwürdig von kommunistischen Gruppen zu distanzieren, andere tun dieses nicht, um eine Spaltung der sozialen Bewegung nicht voranzutreiben. Bei allen unterschiedlichen Strategien haben die Menschen, die sich vor Ort noch für Menschenrechte einsetzen, unseren größten Respekt! 
Ein aufbauendes Erlebnis war der Besuch bei Evangeline Silva, die wir bereits viele Jahre begleitet haben. Den Kampf um Gerechtigkeit nach der Ermordung ihres Mannes hat sie nach massiven Bedrohungen aufgegeben und sich stattdessen auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Kleinbäuer:innen, mit denen sie ihr Recht auf das eigene Land erstritten hat, konzentriert. In ihrem Gebiet konnten nicht nur viele Ländereien umverteilt werden, auch gründete sie eine Genossenschaft. Immer wieder gibt es in den Philippinen das Problem, dass Menschen zwar ihr eigenes Land erstreiten, dann aber strukturell keine Möglichkeit haben, es zu bewirtschaften. Durch die Genossenschaft wird dem vorgebeugt. Gemeinsam werden hier Kokosnussschalen, die sonst keine Verwendung finden, weiterverarbeitet, insbesondere zu Geotextilien.


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Genossenschaft in Laguna. Der vom Agrarministerium bereitgestellte Laster ist so groß und schwer, dass sich die Kosten für Diesel nicht durch den Transport von Kokosnusschalen kompensieren lassen. "Vangie" und ihre Mitstreiter:innen nehmens mit Humor und nutzen umgebaute Motorräder.

Als Präsidentin ihrer Organisation Pesante unterstützt sie zudem weiterhin Bäuer:innen bei der Einforderung ihrer Landrechte in der Nachbargemeinde und in anderen Landesteilen. Immer wieder hatte sie in den letzten Jahren mit Repressionen zu tun, konnte sich aber durch rechtliche Mittel, viel Kommunikation und Baumaßnahmen bisher erfolgreich wehren und schützen. Für IPON hat „Vangie“ eine Menge Ideen, wo im Kampf um Landrechte IPONs Menschenrechtsbeobachtung ansetzen kann.
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Unsere Observer kennen diese Terasse von ihren Besuchen noch ohne Gitterstäbe. Nachdem ungefragt Soldaten eingedrungen waren, musste gesichert werden.

Probleme und Gewalt, die mit der Landreform nach wie vor verbunden sind, wurden insbesondere bei unserem Besuch auf der Insel Negros deutlich. Just an dem Tag, an dem ein Treffen mit der Partnerorganisation TFM angesetzt war, wurde eines ihrer Mitglieder erschossen: Ein Mann, der am Tag zuvor seinen Landtitel (CLOA) erhalten hatte. An diesem Tag hätte dieser Erfolg gefeiert werden sollen…  Es schmerzt, dass wir derzeit nicht die Möglichkeit haben, TFM zu unterstützen. Zum Glück gibt es eine Organisation aus Manila, die mit finanzieller Unterstützung der EU diesen Fall bearbeitet und mit der wir in der Zukunft zusammenarbeiten wollen. Auf Negros ist das nötiger denn je. Denn lange persönliche Beziehungen zwischen der Familie Marcos und den mächtigen Landlords dort, lassen erwarten, dass sich letztere vor Konsequenzen ihres gewalttätigen Handelns in Sicherheit wägen.

  
An dieser Stelle noch mehr von den einzelnen Partnern zu berichten, würde den Rahmen sprengen. Was sich durch fast jedes Gespräch zog: Sie alle wollen IPON und internationale Menschenrechtsbeobachtung zurück. Mir wurde noch einmal deutlich, dass IPON nicht nur in der Theorie dringend gebraucht wird, sondern auch wirklich gewollt ist. Wie viele Vorfälle wurden rekapituliert, in denen Observer von IPON wichtige Papiere beschafft haben, zu einem sauberen Verlauf von Verhandlungen beigetragen haben oder einfach eine moralische Stärkung waren! Als Organisation von kritischen und verantwortungsvollen Menschen, behalten wir beständig Schwachstellen und Risiken unserer Arbeit im Blick. Dieses ist wichtig und richtig, doch sollte uns die stützende Partnerperspektive trotzdem stärken.

Zukunft von Menschenrechtsbeobachtung

Für eine Rückkehr bleibt, neben aufenthaltsrechtlichen Fragen, die Finanzierung das Hauptproblem. Kleinere projektgebundene Gelder sind generell möglich zu akquirieren, für den Schritt einer permanenten Rückkehr brauchen wir jedoch eine längerfristige Absicherung. Mittlerweile ist deutlich, dass es hierfür kaum öffentliche Fördermittel gibt. An mögliche Großspender:innen und an Stiftungen treten wir mit diesem Film heran, der die Problematik verdeutlicht.

Film über IPON-Finanzierung

Bitte leiten Sie ihn gerne weiter, auch an mögliche Fördermitglieder mit kleinen Beträgen. 

Oder spenden Sie selbst!

Junge Menschen für die Arbeit von IPON zu begeistern ist übrigens kein Problem! Seit mehreren Jahren bieten wir ein Seminar an der Leuphana Universität Lüneburg an, in dem sich Studierende mit der Situation von philippinischen Menschenrechtler:innen auseinandersetzen. In diesem Jahr hat eine Arbeitsgruppe z.B. ein Planspiel entworfen (Video ab min.10:15), in dem der Prozess gegen die philippinische Regierung am Internationalen Strafgerichtshof simuliert wird. Die Gruppe hat damit sogar einen Preis gewonnen.[v] Das Planspiel hätten wir gerne weiterentwickelt, leider haben wir hierfür keine Finanzierung bekommen.

Veranstaltungen von uns und anderen

Öffentlich konnten wir mit IPON mal wieder am 30.08. in Erscheinung treten. Wir freuen uns, dass wir das Kulturzentrum Mosaique in Lüneburg gewinnen konnten, im Rahmen eines Schutzprogrammes des Auswärtigen Amtes, einen bedrohten Menschenrechtsverteidiger aufzunehmen und dass wir gemeinsam die Veranstaltung durchführen konnten. Herr Venell Chenfoo berichtete von seinem Einsatz gegen Landnahme durch Agrarkonzerne in Mindanao, wir diskutierten die aktuelle politische Lage, berichteten von unseren Partner:innen und von IPONs Arbeit. Wichtig war auch das gemeinsame Erinnern an Zara Alvarez, die am 17.August vor zwei Jahren ermordet wurde.


venell
                            Chenfoo

Frische Infos: Menschenrechtsverteidiger Venell Chenfoo in Lüneburg

Am 17. September gibt es für uns alle mehrere Möglichkeiten mit philippinischen Aktivist_innen direkt in Kontakt zu treten: Auf
dem Asientag des Asienhauses in Köln werden die großen Themen Widerstand und Solidarität vielseitig beleuchtet. Am gleichen Tag lädt der Bund für Soziale Verteidigung zu einem Onlinevortrag ein: "Cancel the Debt! Why the Global North owes the Global South" von Lidy Nacpil (Koordinatorin Asian Peoples‘ Movement on Debt and Development).[vi]


Liebe Leser:innen, wenn Sie die Möglichkeit haben, an einer der Veranstaltungen teilzunehmen, werden Sie merken, wie der direkte Austausch alle Beteiligten stärken kann. Manch einmal habe ich mich auf meiner Reise gewundert, dass Menschen meinen Besuch als Unterstützung empfanden, dass alleine die Tatsache, dass sich jemand Außenstehendes für ihre Kämpfe interessiert, ihnen etwas bedeutet. Ich hatte doch nichts zu bieten, konnte nicht versprechen ob und wann wir zurückkommen! Beim genaueren Überlegen, geht es uns in IPON aber genauso: Jede Rückmeldung die von Ihnen kommt, ist eine Aufmunterung, unsere schwierige Arbeit weiter zu machen! Sie stärkt uns, auch wenn Sie keine konkreten Angebote machen und kein Geld spenden können. Denn Veränderung braucht Gemeinschaft – in den Philippinen und überall!

Vielen Dank dafür,

im Namen des IPON-Teams

Janina Dannenberg
 

https://twitter.com/IPON_de
https://www.facebook.com/ipon.philippines


Spendenkonto:
IPON e.V.
IBAN: DE40430609671119085800
Bank: GLS Gemeinschaftsbank
BIC: GENODEM1GLS

Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerlich absetzbar.

[i] Eine deutschsprachige Zusammenfassung des Schocks nach den Wahlen: https://www.rosalux.de/news/id/46518/kampf-um-die-philippinische-demokratie. Eine Analyse zur Bedeutung von Facebook für den Wahlausgang: https://www.rappler.com/nation/elections/ferdinand-marcos-jr-benefited-facebook-disinformation-study/. Ein Bericht von 1975 von Amnesty International über die Menschenrechtsverletzungen unter Ferdinand Marcos: https://www.amnesty.org.ph/wp-content/uploads/2014/11/asa350011976en.pdf. Eine ausführliche  Analyse zur Macht der Familie Marcos: https://www.nachdenkseiten.de/?p=83379 (Disclaimer: Bleiben Sie, wie überall, gegenüber dem hier verlinkten Nachrichtenportal bitte kritisch).

[iv] https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/CourtRecords/CR2022_05481.PDF.

[v] https://youtu.be/SwfjxFpJjUU (ab min. 39).

[vi] Vortrag: 17. September 11.30 Uhr, Anmeldung unter info@soziale-verteidigung.de; der Vortrag ist Teil der an diesem Tag stattfindenden Fachtagung „Kredite für den Krieg? Staatsverschuldung und Konflikte im Globalen Süden“, kann aber unabhängig von dieser besucht werden.

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