Liebe Unterstützer:innen von IPON!
International Peace Observers Network – dafür steht die
Abkürzung IPON. Warum „Peace“ – also Frieden – im Namen? Wenn Menschenrechte nicht
geschützt werden, können Gewalt und sogar Krieg Einzug halten. Menschenrechte sind eines der
ersten Opfer eines jeden gewalttätigen Konfliktes. Das Hochhalten der Menschenrechte, gerade
in Konfliktkontexten, ist ein kraftvoller Beitrag für eine friedliche Transformation.
Während des rechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine und trotz all unserer Gefühle,
Fragen, Impulse, und Analysen hierzu, halten wir mit IPON unseren Fokus auf
Menschenrechtler:innen in den Philippinen. Gleichzeitig ist uns der „Blick über den
Tellerrand“ wichtig und wir werden am Jahresende gemeinsam mit u.a. dem Varna
Friedensforschungsinstitut eine Online-Veranstaltung organisieren, in der es auch um andere
Konflikte geht. Dass Medien, Förderinstitutionen, internationale Politiker:innen und
Organisationen im derzeitigen Geschehen ihre Schwerpunkte verschieben (müssen) bekommt die
Zivilgesellschaft in Konfliktregionen weltweit zu spüren. In unserem Fall wurde eine Reise
mit einer Bundestagsabgeordneten, die unseren philippinischen Partnern ein Forum für ihre
Anliegen gegeben hätte, kurzfristig abgesagt. Ich aber konnte während meiner vierwöchigen
Philippinenreise nicht nur mit unseren Mandatspartner:innen persönlich sprechen, sondern mit
vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen darüber hinaus. Dieser Brief ist durch diese
sehr aktuellen Begegnungen inspiriert.
Das
sind unsere Themen
Philippinen nach den Wahlen
Aus den Partnerorganisationen von IPON
Zukunft von Menschenrechtsbeobachtung
Veranstaltungen von uns und anderen
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Zu den meisten wird es schon durchgedrungen sein: Familie Marcos ist zurück im Präsidentenpalast. „Bonbong“
Marcos, der Sohn des Diktators, der 1986 in einer friedlichen Revolution aus dem Amt gejagt
wurde, gewann die Wahlen im Land mit überwältigender Mehrheit. Seine Vizepräsidentin ist
Sara Duterte, Tochter des berüchtigten Präsidenten der letzten Wahlperiode. Ob bei den
Wahlen alles mit rechten Dingen zuging? Nein, das tat es nicht. Eine internationale
Beobachtungsmission hat zahlreiche Unregelmäßigkeiten und viel Gewalt dokumentiert. Mir selber wurde von jungen
Freiwilligen berichtet, die für die Gegenkandidatin, die Menschenrechtsanwältin Leni
Robredo, aktiv waren und massiv von ihren Nachbar:innen und sogar vom Militär
eingeschüchtert wurden. Gleichzeitig ist das grobe Ergebnis der Wahl wohl nicht
anzuzweifeln.
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Häufig sind es private Unterstützer:innen, auf deren Grundstücksmauern noch
die Werbung für die unterlegene Kandidatin zu sehen ist. Bongbong Marcos hat überwiegend auf
angemieteten Flächen geworben, die schon geräumt werden mussten. |
Viele Menschen in den Philippinen haben sich
entscheiden, an eine konstruierte Geschichte von Wohlstand, Entwicklung und Fortschritt als
Merkmale der Marcos-Zeit zu glauben, die durch eine massive Kampagne in den sozialen Medien
gestützt wurde. Das erste Ziel des neuen Präsidenten scheint es zu sein, den Namen seiner
Familie reinzuwaschen und die kollektive Erinnerung an das geschehene Unrecht umzuarbeiten.[i] Was das für Menschenrechte und für
Menschenrechtsbeobachtung bedeutet, ist Gegenstand unserer ständigen
Analyse. Nach sechs Jahren unter Duterte, der Menschenrechte und all ihre
internationalen Institutionen verachtet, wird in der Diplomatie jetzt ein
gemäßigter Tonfall angeschlagen. Die Besetzung der Comission on Human Rights
(CHR) steht noch aus. Vielen meiner Gesprächspartner:innen gilt sie als ein
relevanter Wegweiser.[ii] In der Zwischenzeit kommt es nach
wie vor zu schlimmen Repressionen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen
und der Präsident hat offiziell bereits erklärt, dem Internationalen
Strafgerichtshof nicht wieder beitreten zu wollen.[iii] Die philippinische
Regierung konnte die Anklagebehörde des Internationalen
Strafgerichtshofs nicht davon überzeugen, dass sie selber in der
Strafverfolgung aktiv werden würde. Diese hat nun die Wiederaufnahme
des Verfahrens beantragt.[iv] Dass Personen und Organisationen, die dem
Internationalen Strafgerichtshof Informationen zuspielen und die Arbeit mit Zeug:innen
organisieren, hierfür durch verschiedene Repressionen abgestraft werden, bleibt zu
befürchten. Gut, dass wir mit IPON für eine kleine Gruppe dieser Personen eine
Sicherheitsstruktur bereitstellen können. Mitte September veröffentlichen wir mit dem Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen einen Bericht über die
Menschenrechtssituation unter der abgeschlossenen Präsidentschaft, in dem abermals
deutlich wird, wie wichtig es ist, Duterte international zur Rechenschaft zu
ziehen.
Jenseits der politischen Gesamtsituation stehen bei
IPON die Menschenrechtler:innen selber im Vordergrund. Nach über zwei Jahren Pandemie
konnten jetzt erstmals persönliche Treffen mit fast allen unseren Partner:innen in den
Philippinen stattfinden. Und trotz aller Möglichkeiten die wir heute mit Onlinekonferenzen
haben: in direkter Begegnung zu erfahren, wie sich die Gruppen durch die Jahre unter Duterte
und durch die Pandemie geschlagen haben und wie sie der Zukunft entgegenblicken, ist
unersetzlich und doch nur schwer beschreibbar.
Nicht verwunderlich, und doch bedrückend ist das Niveau der Sicherheitsmaßnahmen unter denen
vor Ort gearbeitet wird. Adressen sind von Homepages einiger NGOs verschwunden,
Namensschilder von Bürotüren abgebaut, Privatwohnungen besser gesichert. Orte für Treffen
müssen mit besonderer Vorsicht ausgesucht werden, einige Personen arbeiten mit Ersatznamen
und Zweitnummern.
Unmittelbar präsent wurde die Bedrohungssituation, als eine Person in unserem Beisein eine
Todesdrohung per SMS erhielt. Gleichzeitig ist das Engagement, trotz des erhöhten Aufwandes,
keinesfalls eingeschlafen. Manchmal müssen weniger öffentliche Wege gefunden werden oder
inhaltliche Verschiebungen stattfinden. Manche Gruppen wählen den Weg, sich deutlich und
glaubwürdig von kommunistischen Gruppen zu distanzieren, andere tun dieses nicht, um eine
Spaltung der sozialen Bewegung nicht voranzutreiben. Bei allen unterschiedlichen Strategien
haben die Menschen, die sich vor Ort noch für Menschenrechte einsetzen, unseren größten
Respekt!
Ein aufbauendes Erlebnis war der Besuch bei Evangeline Silva, die wir bereits viele Jahre
begleitet haben. Den Kampf um Gerechtigkeit nach der Ermordung ihres Mannes hat sie nach
massiven Bedrohungen aufgegeben und sich stattdessen auf die Verbesserung der
Lebensbedingungen der Kleinbäuer:innen, mit denen sie ihr Recht auf das eigene Land
erstritten hat, konzentriert. In ihrem Gebiet konnten nicht nur viele Ländereien umverteilt
werden, auch gründete sie eine Genossenschaft. Immer wieder gibt es in den Philippinen das
Problem, dass Menschen zwar ihr eigenes Land erstreiten, dann aber strukturell keine
Möglichkeit haben, es zu bewirtschaften. Durch die Genossenschaft wird dem vorgebeugt.
Gemeinsam werden hier Kokosnussschalen, die sonst keine Verwendung finden,
weiterverarbeitet, insbesondere zu Geotextilien.
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Genossenschaft in Laguna. Der vom Agrarministerium bereitgestellte Laster
ist so groß und schwer, dass sich die Kosten für Diesel nicht durch den Transport von
Kokosnusschalen kompensieren lassen. "Vangie" und ihre Mitstreiter:innen nehmens mit Humor und
nutzen umgebaute Motorräder. |
Als Präsidentin ihrer Organisation Pesante unterstützt sie zudem weiterhin Bäuer:innen bei der
Einforderung ihrer Landrechte in der Nachbargemeinde und in anderen Landesteilen. Immer wieder
hatte sie in den letzten Jahren mit Repressionen zu tun, konnte sich aber durch rechtliche
Mittel, viel Kommunikation und Baumaßnahmen bisher erfolgreich wehren und schützen. Für IPON
hat „Vangie“ eine Menge Ideen, wo im Kampf um Landrechte IPONs Menschenrechtsbeobachtung
ansetzen kann. |
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Unsere Observer kennen diese Terasse von ihren Besuchen noch ohne
Gitterstäbe. Nachdem ungefragt Soldaten eingedrungen waren, musste gesichert werden. |
Probleme und Gewalt, die mit der Landreform nach
wie vor verbunden sind, wurden insbesondere bei unserem Besuch auf der Insel Negros
deutlich. Just an dem Tag, an dem ein Treffen mit der Partnerorganisation TFM angesetzt war,
wurde eines ihrer Mitglieder erschossen: Ein Mann, der am Tag zuvor seinen Landtitel (CLOA)
erhalten hatte. An diesem Tag hätte dieser Erfolg gefeiert werden sollen… Es schmerzt, dass
wir derzeit nicht die Möglichkeit haben, TFM zu unterstützen. Zum Glück gibt es eine
Organisation aus Manila, die mit finanzieller Unterstützung der EU diesen Fall bearbeitet
und mit der wir in der Zukunft zusammenarbeiten wollen. Auf Negros ist das nötiger denn je.
Denn lange persönliche Beziehungen zwischen der Familie Marcos und den mächtigen Landlords
dort, lassen erwarten, dass sich letztere vor Konsequenzen ihres gewalttätigen Handelns in
Sicherheit wägen.
An dieser Stelle noch mehr von den einzelnen Partnern zu berichten, würde den Rahmen
sprengen. Was sich durch fast jedes Gespräch zog: Sie alle wollen IPON und
internationale Menschenrechtsbeobachtung zurück. Mir wurde noch einmal
deutlich, dass IPON nicht nur in der Theorie dringend gebraucht wird, sondern auch wirklich
gewollt ist. Wie viele Vorfälle wurden rekapituliert, in denen Observer von IPON wichtige
Papiere beschafft haben, zu einem sauberen Verlauf von Verhandlungen beigetragen haben oder
einfach eine moralische Stärkung waren! Als Organisation von kritischen und
verantwortungsvollen Menschen, behalten wir beständig Schwachstellen und Risiken unserer
Arbeit im Blick. Dieses ist wichtig und richtig, doch sollte uns die stützende
Partnerperspektive trotzdem stärken.
Für eine Rückkehr bleibt, neben
aufenthaltsrechtlichen Fragen, die Finanzierung das Hauptproblem. Kleinere projektgebundene
Gelder sind generell möglich zu akquirieren, für den Schritt einer permanenten Rückkehr
brauchen wir jedoch eine längerfristige Absicherung. Mittlerweile ist deutlich, dass es
hierfür kaum öffentliche Fördermittel gibt. An mögliche Großspender:innen und an Stiftungen
treten wir mit diesem Film heran, der die Problematik verdeutlicht.
Bitte leiten Sie ihn gerne weiter, auch an mögliche
Fördermitglieder mit kleinen Beträgen.
Junge Menschen für die Arbeit von IPON zu
begeistern ist übrigens kein Problem! Seit mehreren Jahren bieten wir ein Seminar an der
Leuphana Universität Lüneburg an, in dem sich Studierende mit der Situation von
philippinischen Menschenrechtler:innen auseinandersetzen. In diesem Jahr hat eine
Arbeitsgruppe z.B. ein Planspiel entworfen (Video ab min.10:15), in dem der
Prozess gegen die philippinische Regierung am Internationalen Strafgerichtshof simuliert
wird. Die Gruppe hat damit sogar einen Preis gewonnen.[v]
Das Planspiel hätten wir gerne weiterentwickelt, leider haben wir hierfür keine
Finanzierung bekommen.
Öffentlich konnten wir mit IPON mal wieder am 30.08.
in Erscheinung treten. Wir freuen uns, dass wir das Kulturzentrum Mosaique in Lüneburg
gewinnen konnten, im Rahmen eines Schutzprogrammes des Auswärtigen Amtes, einen bedrohten
Menschenrechtsverteidiger aufzunehmen und dass wir gemeinsam die Veranstaltung durchführen
konnten. Herr Venell Chenfoo berichtete von seinem Einsatz gegen Landnahme durch Agrarkonzerne
in Mindanao, wir diskutierten die aktuelle politische Lage, berichteten von unseren
Partner:innen und von IPONs Arbeit. Wichtig war auch das gemeinsame Erinnern an Zara Alvarez, die am 17.August vor
zwei Jahren ermordet wurde.
Frische Infos: Menschenrechtsverteidiger Venell
Chenfoo in Lüneburg
Am 17. September gibt es für uns alle mehrere Möglichkeiten mit philippinischen Aktivist_innen
direkt in Kontakt zu treten: Auf dem Asientag
des Asienhauses in Köln werden die großen Themen Widerstand und Solidarität vielseitig
beleuchtet. Am gleichen Tag lädt der Bund für Soziale Verteidigung zu einem Onlinevortrag ein:
"Cancel the Debt! Why the Global North owes the Global South" von Lidy Nacpil (Koordinatorin
Asian Peoples‘ Movement on Debt and Development).[vi]
Liebe Leser:innen, wenn Sie die Möglichkeit haben, an einer der Veranstaltungen teilzunehmen,
werden Sie merken, wie der direkte Austausch alle Beteiligten stärken kann. Manch einmal habe
ich mich auf meiner Reise gewundert, dass Menschen meinen Besuch als Unterstützung empfanden,
dass alleine die Tatsache, dass sich jemand Außenstehendes für ihre Kämpfe interessiert, ihnen
etwas bedeutet. Ich hatte doch nichts zu bieten, konnte nicht versprechen ob und wann wir
zurückkommen! Beim genaueren Überlegen, geht es uns in IPON aber genauso: Jede Rückmeldung die
von Ihnen kommt, ist eine Aufmunterung, unsere schwierige Arbeit weiter zu machen! Sie stärkt
uns, auch wenn Sie keine konkreten Angebote machen und kein Geld spenden können. Denn
Veränderung braucht Gemeinschaft – in den Philippinen und überall!
Vielen Dank dafür,
im Namen des IPON-Teams
Janina Dannenberg
https://twitter.com/IPON_de
https://www.facebook.com/ipon.philippines
Spendenkonto:
IPON e.V.
IBAN: DE40430609671119085800
Bank: GLS Gemeinschaftsbank
BIC: GENODEM1GLS
Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerlich absetzbar.
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